EU-Lieferkettengesetz und Rückblick auf unsere Veranstaltung

Carola Rackete, EU-Spitzenkandidatin Die Linke
Enrico Kreft, EU-Kandidat der SPD
rechts: Elisabeth Weydt, Autorin des Buches „Die Natur hat Recht“
Gregor Voht, EU-Kandidat Freie Wähler im Gespräch mit Horst Hesse, Fairtrade Stadt Lübeck
Horst Hesse, Caro Rackete und Katja Mentz
Katharina Kewitz, SH Landesvorstand Grüne Jugend
Kathrin Ostertag, zuständig für Nachhaltigkeit und Innovation bei der IHK zu Lübeck
Katharina Kewitz, Grüne Jugend SH

Bei unserer Podiumsdiskussion „ÜBER ZUKUNFT REDEN“ am 25. Mai 2024 zu der Frage, ob das beschlossene EU- Lieferkettengesetz ausreichend wirksam für den Schutz der Menschenrechte und Umwelt ist, waren sich unsere Gäste Enrico Kreft (SPD), Kathrin Ostertag (IHK), Carola Rackete (DIE LINKE), Katharina Kewitz (Grüne Jugend SH) und Gregor Voht (Freie Wähler) einig, dass es Regularien braucht und der Beschluss des Lieferkettengesetzes begrüßt wird. Kritik gab es von Kathrin Ostertag in Bezug auf die Umsetzung des in Deutschland beschlossenen Lieferkettengesetzes, da große Unternehmen die Verantwortung auf kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) abwälzen würden und der bürokratische Aufwand sehr hoch und komplex sei. Als Folge drohe nun den KMU, dass große Unternehmen sie ausschließen würden, wenn sie keine Nachweise erbringen, dass zum Beispiel ausbeuterische Kinderarbeit bei der Ernte ausgeschlossen werden kann. Auch Podiumsgast Gregor Voht, der seit zehn Jahren ein mittelständisches Unternehmen führt, kritisierte den bürokratischen Aufwand, sprach sich aber für fairen Handel insbesondere mit afrikanischen Ländern aus.

Linke, SPD und Grüne Jugend hielten der Kritik entgegen, dass die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards in den Lieferketten insbesondere in Ländern des Globalen Südens auf freiwilliger Basis nicht funktioniere. Immer noch seien überwiegend niedrige Preise und Kosten ausschlaggebend. So habe – ganz im Gegenteil – die fehlende Verantwortungsübernahme durch Unternehmen dazu geführt, dass die Ausbeutung von Arbeiter*innen, Kinderarbeit und Umweltzerstörung kontinuierlich zunehme. Das EU-Lieferkettengesetz könne im Laufe des Praxistests noch Verbesserungen erfahren und sei nur ein Baustein für den globalen Schutz der Menschenrechte und Umwelt, es brauche weitere Beschlüsse, wie eine höhere Besteuerung von Millionären und eine Übergewinnsteuer auf EU Ebene, um Maßnahmen zum Klimaschutz, Klimafolgen und Schutz der Biodiversität finanzieren zu können und für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Wir bedanken uns herzlich den Austausch und für die Moderation bei Elisabeth Weydt.

Ein großer Dank geht auch an BINGO Projektförderung SH für die finanzielle Unterstützung und für die Kooperation an ver.di, Bezirk Lübeck/Südostholstein.

Eine konkrete Einschätzung, was das EU-Lieferkettengesetz liefert ist hier nachzulesen:

Was liefert das EU-Lieferkettengesetz?
Kurzbewertung der EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)
Eine Veröffentlichung der Initiative Lieferkettengesetz, 24. Mai 2024

als Download: https://lieferkettengesetz.de/wp-content/uploads/2024/05/Initiative-LIeferkettengesetz_Kurzanalyse-CSDDD.pdf

Heute hat der Rat der Europäischen Union endgültig die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate
Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) verabschiedet, kurz: das EU-Lieferkettenge-
setz. Damit hat die EU den Paradigmenwechsel bestätigt: weg von freiwilliger Unternehmens-
veranwortung, hin zu gesetzlichen Regeln. Die CSDDD ist damit ein großer Fortschritt für den
Schutz von Menschenrechten und der Umwelt in den Wertschöpfungsketten großer Unter-
nehmen.
Dennoch sind wir als Initiative Lieferkettengesetz enttäuscht über die teilweise Abschwächung,
zum Beispiel bei den Sorgfaltspflichten für den Finanzsektor oder dem Klimaschutz, die der
Richtlinientext während des zweijährigen Erarbeitungsprozesses erfahren hat, sowie über die
Enthaltung der Bundesregierung im Rat. Die Initiative Lieferkettengesetz hat sich als zivilgesell-
schaftliches Bündnis von mehr als 130 Organisationen für wirksame Lieferkettengesetze in
Deutschland und der EU eingesetzt. Unser Ziel ist es, Menschen, Umwelt und Klima vor den
schädlichen Auswirkungen wirtschaftlichen Handelns zu schützen.
Positiv am EU-Lieferkettengesetz ist…
Die Richtlinie leitet in der EU einen dringend notwendigen Paradigmenwechsel ein: Weg von
rein freiwilliger Corporate Social Responsibility hin zu verbindlichen menschenrechtlichen
und umweltbezogenen Vorgaben für Unternehmen:

1) EU-weit sind Unternehmen fortan ver-
pflichtet, ihre negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt zu untersuchen,
zu vermeiden, zu beenden und ggf. wiedergutzumachen (Sorgfaltspflichten).
2) Unternehmen
haften für Schäden, die sie durch Verstöße gegen ihre Sorgfaltspflichten mitverursacht haben.
3) Unternehmen sind verpflichtet, einen Klimaplan aufzustellen und umzusetzen.

Die Richtlinie setzt am Anfang der Lieferkette an, wo oft die größten Probleme bestehen:
Gemäß CSDDD müssen Unternehmen bei der verpflichtenden Risikoanalyse den Anfang der Lie-
ferkette proaktiv und systematisch einbeziehen. Denn die meisten Menschenrechtsverletzun-
gen und Umweltschäden finden am Beginn der Lieferkette statt, zum Beispiel in Bergwerken
oder auf Plantagen. An diesem Punkt ist die CSDDD deutlich besser als das bereits geltende
deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Gemäß LkSG müssen Unternehmen eine
Risikoanalyse am Anfang der Lieferkette nur dann durchführen, wenn sie bereits „substantiierte
Kenntnis“ über eine mögliche menschenrechtliche Verletzung erlangen.
Die Richtlinie stärkt den risikobasierten Ansatz, wie es internationale Standards vorsehen:
Die CSDDD setzt auf den „risikobasierten Ansatz“ gemäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft
und Menschenrechte. Dieser umfasst – im Gegensatz zum Ansatz im LkSG – eine von Anfang an
weit angelegte Risikoanalyse (s.o.), in deren Anschluss Unternehmen die identifizierten Risiken
gewichten und priorisieren müssen. Wenn nicht alle Probleme gleichzeitig zu bearbeiten sind,
müssen Unternehmen zunächst dort aktiv werden, wo die größten Probleme identifiziert wur-
den.
Die Richtlinie gilt entlang der gesamten vorgelagerten Lieferkette und bezieht unmittelbar
die Rohstoffgewinnung mit ein: Die Sorgfaltspflicht des Unternehmens reicht von der eigenen
Geschäftstätigkeit über die Geschäftstätigkeit eines Tochterunternehmens bis zur so genann-
ten „Aktivitätskette“ des Unternehmens. Die Aktivitäten auf der vorgelagerten Seite (upstream)
sind weitreichend abgedeckt und beziehen etwa die Produktentwicklung, die Warenproduktion
oder die Erbringung von Dienstleistungen ebenso ein wie die Rohstoffgewinnung oder Beschaf-
fung von Produktteilen.
Die Richtlinie hebt die Bedeutung fairer Einkaufspraktiken hervor und schiebt der Weiter-
leitung der Verantwortung einen Riegel vor: Die Richtlinie hebt die Bedeutung von fairen Ein-
kaufspraktiken des Unternehmens hervor, mit denen Unternehmen erwiesenermaßen wirksam
ausbeuterische Arbeitsbedingungen vermeiden bzw. beheben können. Denn nur wenn Unter-
nehmen ihren Produzenten faire Preise zahlen, können diese ihren Arbeiter*innen existenzsi-
chernde Preise zahlen. Die CSDDD stellt auch klar, dass große Unternehmen von kleineren Ge-
schäftspartnern nur solche vertraglichen Zusicherungen (etwa zur Einhaltung eines Verhaltens-
kodexes) einfordern dürfen, die angemessen sind. Darüber hinaus müssen große Unternehmen
zur Umsetzung ggf. finanzielle Unterstützung, Schulungen und sonstigen Unterstützungsmaß-
nahmen bereitstellen.
Die Richtlinie stärkt die Beteiligung von Interessengruppen in einem eigenen Artikel: Die
CSDDD regelt in einem eigenen Artikel die verpflichtende und effektive Einbeziehung von be-
troffenen Interessenträger*innen („Stakeholder“) wie Nichtregierungsorganisationen und Ge-
werkschaften bei nahezu allen Schritten der Sorgfaltspflicht. Das ist deswegen so wichtig, weil
damit die Auslagerung der Sorgfaltspflicht an Zertifizierungsunternehmen und andere Nachhaltigkeitsinitiativen nicht mehr so einfach möglich ist. Zur Durchsetzung von Arbeitsrechten müs-
sen stattdessen zum Beispiel primär Gewerkschaften einbezogen werden. Im LkSG ist die Be-
teiligung von Interessengruppen deutlich schwächer ausgestaltet.

Die Richtlinie regelt die Wiedergutmachung als eigene Sorgfaltspflicht, wie es internatio-
nale Standards vorsehen: In der CSDDD wird dem Unternehmen aufgegeben, nachteilige Aus-
wirkungen wiedergutzumachen, wenn es sie allein oder gemeinsam mit anderen verursacht hat.
Das entspricht den Vorgaben in internationalen Standards zur Unternehmensverantwortung ge-
mäß den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Das LkSG schreibt eine Wieder-
gutmachung nicht vor, sondern berücksichtigt diese lediglich bei der Bemessung von möglichen
Bußgeldern.
Die Richtlinie erfasst mehr menschenrechtliche Schutzgüter: Die CSDDD erfasst wesentlich
mehr Menschenrechte als das LkSG, darunter etwa das Recht auf Leben, Persönlichkeitsrechte
und die Gedankenfreiheit (Freiheitsrechte). Daneben enthält sie ein höheres Maß an sozialen
Menschenrechten, beispielsweise die Rechte von Kindern auf Gesundheit, Bildung und ange-
messene Lebensbedingungen, existenzsichernde Einkommen für Selbstständige und das Recht
auf angemessenen Wohnraum, Nahrung, Bekleidung und Sanitäranlagen, sofern sie vom Unter-
nehmen bereitgestellt werden. Außerdem können weitere Rechte aus den beiden Menschen-
rechtspakten der UN, den acht ILO-Kernkonventionen und der Kinderrechtskonvention Bezugs-
punkte unternehmerischer Sorgfaltspflichten sein, wenn sie unmittelbar beeinträchtigt werden
und das Unternehmen deren Beeinträchtigung fahrlässig verkannt hat. Damit ist auch die Auf-
fangklausel der CSDDD weiter gefasst als die des LkSG, welches eine besonders schwerwie-
gende unmittelbare Beeinträchtigung voraussetzt.
Die Richtlinie unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) – sogar besser
als das LkSG: Obwohl KMU nicht direkt von der Richtlinie betroffen sind, geht diese explizit auf
die besondere Stellung von KMU ein, wenn sie indirekt als Geschäftspartner betroffen sind. Die
CSDDD sieht Maßnahmen zur Entlastung vor – viel weitreichender, als es das LkSG tut. Explizit
genannt werden der Zugang zu Kapazitätsaufbau, Schulungen und angemessener finanzieller
Unterstützung. Das ist besonders deswegen wichtig, weil so verhindert wird, dass kleine Unter-
nehmen und auch Kleinbauern aus dem Markt gedrängt werden, weil z.B. die Zahlung existenz-
sichernder Löhne nicht sofort möglich ist. Dazu gehört auch das Verbot für große Unternehmen,
Berichtspflichten oder zusätzliche Kosten einfach an KMU abzuwälzen, etwa wenn das Großun-
ternehmen eine Compliance-Prüfung durchführt.
Die Richtlinie sieht eine starke behördliche Kontrolle und Durchsetzung vor: Ebenso wie im
LkSG müssen die Aufsichtsbehörden von sich aus oder nach Hinweisen bzw. „begründeten Be-
denken“ Dritter Untersuchungen einleiten, um Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht durch Un-
ternehmen nachzugehen. Sie kann dabei die Beendigung des Verstoßes und Maßnahmen zur
Wiedergutmachung anordnen, aber auch Geldbußen verhängen, die bis zu fünf Prozent des
weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens im vorherigen Geschäftsjahr betragen können.
Zu begrüßen ist, dass jede Person mit berechtigtem Interesse solche “begründeten Bedenken”
äußern kann und dieser immerhin die Entscheidung der Behörde sowie angeordnete Maßnah-
men mitgeteilt werden müssen. Bedauerlich ist, dass nicht geregelt wurde, dass solchen Perso-
nen nicht explizit weitergehende Beteiligungsrechte zugesprochen wurden.

Die Richtlinie enthält eine zivilrechtliche Haftungsregel, die ermöglicht, dass Betroffene
einfacher Schadensersatz vor Gerichten in Europa einklagen können: Betroffene, die Schä-
den erlitten haben, können Unternehmen vor Zivilgerichten in den EU-Mitgliedsstaaten auf
Schadensersatz verklagen. Voraussetzung ist, dass die Unternehmen durch Verstöße gegen
ihre Sorgfaltspflichten Schäden verursacht oder zu solchen beigetragen haben. Das ist nur fair.
Das LkSG enthält keine solche Haftungsregel. Zu begrüßen ist, dass Unternehmen, die an so
genannten Multistakeholderinitiativen, also Nachhaltigkeitsinitiativen teilnehmen, keinen Frei-
brief für die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht erhalten. Grundsätzlich bleiben sie auch dann haft-
bar und schadensersatzpflichtig.

Die Richtlinie verbessert prozessuale Regeln für Betroffene, wenn sie gegen ein Unterneh-
men auf Schadensersatz klagen: Die CSDDD führt eine Verjährungsfrist von mindestens fünf
Jahren ein. An einer zu kurzen Verjährungsfrist ist die Klage gegen den deutschen Textildiscoun-
ter KiK wegen des Fabrikbrands in Pakistan gescheitert. Die Richtlinie erleichtert im Klagever-
fahren den Zugang zu wichtigen unternehmensinternen Dokumenten, an die Betroffene sonst
nie gelangen würden, um ihre Ansprüche geltend zu machen. Beide Erleichterungen sind im
LkSG nicht vorgesehen. Die Prozessstandschaft wiederum sehen beide Rahmenwerke vor. Da-
mit können Betroffene künftig NGOs und Gewerkschaften dazu ermächtigen, ihre Rechte im ei-
genen Namen vor Gerichten einzuklagen. Das kann Hürden für den Zugang von ausländischen
Betroffenen zu europäischen Gerichten reduzieren – etwa die hohen Kosten solcher Verfahren
– oder bei drohender Verfolgung Anonymität gewährleisten. Letzteres ist eine große Erleichte-
rung für Betroffene, sind sie doch sehr häufig schweren Repressalien ausgesetzt, die von Ent-
lassungen bis hin zu Morddrohungen reichen.

Die Richtlinie regelt mehr umweltbezogene Pflichten als das LkSG, die sich nur aus drei von
Deutschland ratifizierten Übereinkommen speisen und keinen umfassenden Schutz der Umwelt
vorsehen. Demgegenüber enthält die CSDDD wesentlich mehr Referenzen zu umweltvölker-
rechtlichen Vorschriften, unter anderem internationalen Meeres- und Biodiversitätsschutzbe-
stimmungen. Außerdem müssen Unternehmen messbaren Umweltschädigungen wie Entwal-
dung vorbeugen oder abhelfen, wenn diese entweder unmittelbar oder mittelbar ursächlich sind
für Menschenrechtsbeeinträchtigungen. Zu diesen zählt die CSDDD auch Ökosystemleistungen,
sofern diese zum menschlichen Wohlergehen beitragen.

Die Richtlinie führt einen verpflichtenden Klimaplan ein: Gemäß CSDDD müssen die Unter-
nehmen einen Klimaplan erstellen und umsetzen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und
ihre strategische Ausrichtung mit den Zielen des Pariser Abkommens zum Klimawandel im Ein-
klang stehen. Sie macht Unternehmen auch inhaltliche Vorgaben bezüglich der Pläne. Das LkSG
enthält keine unmittelbaren Klimaschutzverpflichtungen.

Nicht ausreichend ist….
Die Richtlinie gilt für zu wenige Unternehmen: Der Anwendungsbereich der CSDDD erfasst zu-
nächst einmal nur Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von
mehr als 1,5 Mrd. Euro. Stufenweise sollen diese Schwellen dann auf Unternehmen mit mehr als
1.000 Beschäftigten und mehr als 450 Millionen Euro Jahresumsatz herabgesetzt werden. Doch
selbst dann – so die Schätzung der European Coalition for Corporate Justice – wären weniger
als 5.500 Unternehmen erfasst. Das entspricht nicht einmal 0,05% aller Unternehmen in der EU.1
Im LkSG sind bereits jetzt Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten erfasst – ohne Mindestumsatz.
Die Folge ist, dass nach ersten Schätzungen etwa zwei Drittel der Unternehmen, die derzeit noch
unter das LkSG fallen, von der CSDDD nicht erfasst wären. Hinzu kommt noch eine viel zu lange
Schonfrist von fünf Jahren für diese Unternehmen.

Die Richtlinie sieht keine ausdrücklichen Sanktionen bei Nichtumsetzung der Klimapläne
vor: Die Unternehmen – auch Finanzdienstleister, die sonst kaum Pflichten aus der CSDDD tref-
fen – sind zwar zur Erstellung und Umsetzung des Klimaplans verpflichtet. Allerdings soll die
Behörde explizit nur kontrollieren, ob der Klimaplan erstellt wurde und ob dieser die inhaltli-
chen Anforderungen erfüllt. Sie soll nicht überprüfen, ob das Unternehmen den Klimaplan um-
setzt und hat damit zumindest keine ausdrückliche Rechtsgrundlage zur Sanktionierung von
Unternehmen bei Nichtumsetzung. Verpflichtungen ohne Sanktionen sind in der Regel aber wir-
kungslos.

Die Richtlinie regelt keine relevanten Sorgfaltspflichten für den Finanzsektor: Finanzinsti-
tute müssen negative Auswirkungen nur in Bezug auf ihre eigene Geschäftstätigkeit sowie ihre
vorgelagerten Aktivitäten vermeiden bzw. beheben, das heißt beispielsweise beim Personalma-
nagement oder der Beschaffung von Arbeitsmaterial. Nicht erfasst ist ihr Kerngeschäft, etwa die
Vergabe von Krediten oder Bürgschaften, Investitionen und Versicherungsleistungen. Das ist
nicht nachvollziehbar, denn diese Bereiche sind diejenigen, wo bei Finanzakteuren gerade das
größte Risiko für die Menschenrechte und die Umwelt besteht.

Die Richtlinie erfasst die nachgelagerte Lieferkette nicht ausreichend: Die Aktivitäten von
Geschäftspartnern im nachgelagerten Bereich (downstream) der unternehmerischen Lieferkette
sind nicht umfassend von der CSDDD erfasst. So haben Unternehmen keine Sorgfaltspflichten
mit Blick auf die Verwendung ihrer Produkte und damit etwa keinerlei Verantwortung für den
Einsatz schädlicher Chemikalien durch Endabnehmer. Damit weicht dieser Ansatz von interna-
tionalen Standards zur Unternehmensverantwortung ab, die vorschreiben, dass Unternehmen
bei der Sorgfaltsprüfung die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigen sollten. Zudem
1 Siehe https://corporatejustice.org/news/reaction-csddd-endorsement-brings-us-0-05-closer-to-corporate-justice/

sind die negativen Auswirkungen von Rüstungs- und Dual-Use-Gütern, beispielsweise Überwa-
chungssoftware, sobald deren Ausfuhr staatlich genehmigt wurde, gänzlich von den Pflichten

nach CSDDD ausgeschlossen.
Die Richtlinie enthält nur unzureichende Kriterien für Multistakeholderinitiativen: Schließ-
lich ist zu bedauern, dass bei der Festlegung von Eignungskriterien für so genannte Multistake-
holderinitiativen durch die Kommission nicht ausdrücklich die Beteiligung von Interessensträ-
gern vorgesehen ist. Denn gerade diese können im Einzelnen genau beurteilen, welche Ele-
mente eine solche Initiative enthalten muss, um wirksam zu sein. Das ist zum Beispiel die Be-
teiligung von Interessenträgern auf Augenhöhe, das heißt bei der Entwicklung, Entscheidungs-
findung und Umsetzung solcher Initiativen. Ebenso sollten faire Einkaufspraktiken und Kosten-
aufteilung zu Mindestkriterien gehören.

Empfehlungen der Initiative Lieferkettengesetz
Von der Bundesregierung und dem Bundestag erwarten wir nun eine zeitnahe, europarechts-
konforme und ambitionierte Überführung der CSDDD in deutsches Recht. Dabei werden die An-
passungen im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) eine große Rolle spielen. Die Bundes-
regierung sollte die CSDDD mit dem Ziel in deutsches Recht umsetzen, ein hohes Niveau für den
Schutz der Menschenrechte und der Umwelt herzustellen.
Gradmesser für eine solche Überführung wird einerseits sein, dass die CSDDD als Richtlinie
grundsätzlich Mindestanforderungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten, De-
finition der Aktivitätskette, Beteiligung von Interessensgruppen, menschenrechtlichen und um-
weltbezogenen Schutzgüter, Klimapläne, Bußgeldhöhe, zivilrechtlichen Haftung und des Zu-
gangs zu Recht formuliert, die mindestens vollumfänglich in das LkSG überführt werden müs-
sen.
Andererseits wird der Gradmesser sein, dass gemäß Artikel 1 Absatz 2 CSDDD ein bereits natio-
nal bestehender Schutz der Menschenrechte und Umwelt im Rahmen der Umsetzung nicht ab-
geschwächt werden darf. Insbesondere darf der geltende persönliche Anwendungsbereich des
deutschen LkSG daher nicht eingeschränkt werden. Denn eine zusätzliche Umsatzschwelle
würde die Anzahl der in Deutschland erfassten Unternehmen je nach Schätzung um die Hälfte
bis zwei Drittel reduzieren. Der Schutz von Umwelt und Menschenrechten in den Lieferketten
der aus der Verantwortung entlassenen Unternehmen würde damit entgegen den Vorgaben der
Richtlinie abgeschafft. Entsprechend verbietet sich in Deutschland auch eine stufenweise
Anwendung, die im ersten Jahr mit Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitenden beginnen würde.